Daugirdas, Ke̢stutis
Die Anfänge des Sozinianismus
Genese und Eindringen des historisch-ethischen Religionsmodells in den universitären Diskurs der Evangelischen in Europa
Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz, 240: Abt. Abendländische Religionsgeschichte
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2016
ISBN: 978-3-525-10142-1
DOI: 10.13109/9783666101427
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Die bis zu ihrer Ausweisung im Jahr 1658 in Polen-Litauen beheimateten Sozinianer stellten eine transnational zusammengesetzte religiöse Minderheit protestantischer Herkunft dar, der es trotz der geringen Zahl ihrer Mitglieder gelang, eine bedeutende ideengeschichtliche Wirkung in Europa zu entfalten. Obwohl sie nur ca. ein Prozent der polnisch-litauischen Bevölkerung ausmachten, verfügten die Sozinianer in der Zeit von 1602 bis 1638 über ein akademisches Gymnasium und eine Druckerei in Raków, die für die Kultivierung und Verbreitung eines neuartigen Religionsmodells sorgten: Sozinianer gingen von der geschichtlichen Wandlung der religiös-sittlichen Normen im Sinne eines Perfektibilitätsprozesses aus, wobei sie, im Unterschied zu den etablierten Konfessionen, die subjektive Vernunft des Einzelnen zur letztgültigen Entscheidungsinstanz in religiösen Fragen erhoben. Dieses die Pluralität des Christentums prinzipiell bejahende, mit historisierend-philologischer Bibelexegese unterfütterte historisch-ethische Religionsmodell wurde zum Gegenstand zahlreicher Vorlesungen und Disputationen und wirkte vorbereitend auf das Aufkommen der europäischen Aufklärungstheologie. Die vorliegende Studie verfolgt jene Prozesse von ihren Ursprüngen im Denken Fausto Sozzinis an. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Ausgestaltung des historisch-ethischen Religionsmodells durch die Vertreter des Frühsozinianismus und seiner diskursiven Verarbeitung an den protestantischen Universitäten im Alten Reich und in den Niederlanden.
In contrast with the established confessions, the Socinians assumed that the norms of religion and morality were subject to historical change in a process of perfectibility, and they viewed the subjective reasoning of the individual as the ultimate arbiter in religious questions. They espoused a new, historical-ethical model of religion, which was supported by historicising philological bible exegesis and which fundamentally affirmed the plurality of Christianity. This study traces the emergence of this model of religion from its origins in the thought of Fausto Sozzini onward. Particular attention is paid to how it was shaped by leading exponents of early Socinianism and the accompanying debates at universities in the Holy Roman Empire and in the Netherlands.