Arbeitsbereich Religion
Arbeitsbereich Religion: Wissen – Erfahrung – Interaktion
Der Arbeitsbereich »Religion« fokussiert auf die Generierung und Mobilisierung religiösen Wissens, die Analyse religiöser Erfahrungen und die Bedeutung religiöser Interaktionen für gesellschaftliche Prozesse, Strukturen und Hierarchien in Europa als religiös pluralem Raum. Der Arbeitsbereich nimmt zunächst religiöse Umbruchserfahrungen und Umbruchsdeutungen unter dem Gesichtspunkt historiographischer Interpretationen als auch aus der Perspektive der historischen Akteure in den Blick. Des Weiteren sollen Verschiebungen in den Wissensregimes historischer Akteure akzentuiert und dabei die Ebene der Erfahrungen einbezogen werden. Außerdem fragen die Forschungen am IEG, welche Auswirkungen die von den historischen Akteuren selbst postulierten Strategien des Traditions- und Normumbruchs für die religiöse und gesellschaftliche Interaktion besitzen.
Aktuelles aus dem Arbeitsbereich
3.–4. Juli 2025
Massacre and the Law: Atrocity, the Holy Roman Empire, and the Thirty Years War
Tagung, organisiert von Nicole Reinhardt (IEG), mit Thyssen Foundation Project Grant, Co-PIs Harald E. Braun (University of Liverpool, UK) and Daniel Schwartz (Hebrew University of Jerusalem, Israel), IEG Mainz
2. Juni 2025
The Damascus Events
Online-Diskussionsrunde zum Buch »The Damascus Events: The 1860 Massacre and the Making of the Modern Middle East« von Eugen Rogan (Oxford), im Rahmen des »Assemani Seminar for Eastern Catholic History 2025«, mitorganisiert von Jared Warren (IEG).
19. Mai 2025
History and Liturgy: Methods, Questions, and Approaches
Online-Veranstaltung mit Daniel Galadza (Pontifical Oriental Institute), Nadieszda Kizenko (University at Albany), Michael Shami (University of Notre Dame), im Rahmen des »Assemani Seminar for Eastern Catholic History 2025«, mitorganisiert von Jared Warren (IEG).
10. – 11. April 2025
Hallowed Efforts? Work and the Sacred, c. 1350–c. 1815
Workshop, organisiert von Kilian Harrer, IEG Mainz
Programm
7. April 2025
Globalization: Eastern Catholics in New Geographies
Online-Diskussion mit Natalie Kononenko (University of Alterta) und Sonja Thoams (Colby College), im Rahmen des »Assemani Seminar for Eastern Catholic History 2025«, mitorganisiert von Jared Warren (IEG).
3. März 2025
Confession/alization and Eastern Christianities: A Roundtable on the State of the Debate
Diskussionsrunde mit Liliya Berezhnaya (Austrian Academy of Sciences), Alfons Brüning (Radboud University), Iryna Klymenko (Ludwig-Maximilian-Universität München) und Cesare Santus (University of Trieste), im Rahmen des »Assemani Seminar for Eastern Catholic History 2025«, mitorganisiert von Jared Warren (IEG).
25.–27. April 2024
Dark Green Religion in Europe: History and Impacts, Dangers and Prospects
Tagung, organisiert von Bernhard Gißibl (IEG), Kate Rigby (Universität zu Köln) und Bron Taylor (University of Florida), IEG Mainz
Programm
Veröffentlichungen (in Auswahl)
Erol, Ufuk: Taşradaki Alevilik Külliyatına Bir Örnek: Şah İbrahim Veli Ocağı Çorum Kolundan Bir Yazma (Ein Beispiel aus der alevitischen Literatur der Provinz: Ein Manuskript aus dem Çorum-Zweig von Şah İbrahim Veli Ocagi), in: Journal of Alevism-Bektashism Studies 27 (2023), S. 83–103, DOI.Gargova, Fani: The Central Synagogue of Sofia: Westernization, Urban Change, and Religious Reform, in: Das östliche Europa: Kunst- und Kulturgeschichte – Band 018, Köln: Böhlau Verlag, 2024.
Gargova, Fani / Tilmann Gempp-Friedrich: Forschungsdaten im Projekt »Synagogen-Gedenkbuch Hessen«, in: Anke Naujokat / Sophie Helas (Hg.): Build on data = Auf Daten bauen: Forschungsdaten in der historischen Bauforschung und Denkmalpflege. Tagungsband zur Community-Tagung des DFG-Projekts baureka.online am 4. und 5. Mai 2023 an der Technischen Universität Berlin, Aachen: RWTH Aachen University 2024, S. 62–65, DOI.
Harrer, Kilian: Pilgrimage, in: EGO: Europäische Geschichte Online = European History Online (2025-01-13), URL.
Harrer, Kilian: Wallfahrt als Grenzerfahrung? Zur Sakralmobilität zwischen Ostfrankreich und dem schweizerischen Raum im 18. Jahrhundert, in: Simona Boscani Leoni / Claire Gantet / André Holenstein / Timothée Léchot / Bérangère Poulain (Hg.): Le Corps helvétique et la France (1660-1792): Transferts, asymétries et interdépendances entre des partenaires inégaux, Genf: Slatkine 2024, S. 145–157.
Harrer, Kilian: Troubled Feast, Contested Fast: The Uniate Dilemma and the Rural Economy in Eighteenth-Century Poland-Lithuania, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 72, 1 (2024): S. 20–43, DOI.
Jürgens, Henning: Täuferische Rechtskulturen, in: Kęstutis Daugirdas / Christian V. Witt (Hg.): Konfession, Recht, Politik. Konfessionelle Prägungen, interkonfessionelle Dynamiken und politisch-rechtliche Einhegungen konkurrierender Sozialgestalten, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2025, S. 99–117.
Jürgens, Henning: Andreas Osiander und Johann Agricola - Die „Gegenpole“ im Wittenberger Netzwerk: Beobachtungen zur Personalisierung der innerprotestantischen Debatten, in: Jan Martin Lies (Hg.): Streitkultur, Akteure, Wirkungen: Der lutherische Bekenntnisbildungsprozess in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2025, S. 133–154, DOI.
Jürgens, Henning: Peace of Westphalia 1648, in: Karel van Nieuwenhuyse / John Maiden / Stefanie Sinclair (Hg.): Teaching and Learning about Religious Diversity in the Past and Present: Beyond Stereotypes, Cham: Palgrave Macmillan 2024, S. 81–92, DOI.
Jürgens, Henning: Confederation of Warsaw 1573, in: Karel van Nieuwenhuyse / John Maiden / Stefanie Sinclair (Hg.): Teaching and Learning about Religious Diversity in the Past and Present: Beyond Stereotypes, Cham: Palgrave Macmillan 2024, S. 71–80, DOI.
Jürgens, Henning / Wien, Ulrich A. (Hg.): Rezeption und Memoria der Reformation im östlichen Europa (VIEG 142), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2024, DOI.
Jürgens, Henning / Vasques Filho, Demival / Deicke, Aline: Laien und Experten während der ersten Medienrevolution. Transformation der christlichen Wissensordnung in der frühen und späteren Reformation, in: Berger, Joachim /Wübbena, Thorsten (Hg.): Wissen ordnen und entgrenzen – vom analogen zum digitalen Europa? Ein Europa der Differenzen, Band 4, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023, S. 159–180.
Jürgens, Henning (Hg): Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen: Repräsentationen des Friedens im vormodernen Europa. Beiträge der Tagung „Dass Gerechtigkeit und Frieden sich küssen – Repräsentationen des Friedens im vormodernen Europa“, 28.–30. Juni 2018, perspectivia.net 2021, DOI.
Radeva, Zornitsa: Innovation or (Latent) Calvinisation? Jean Sperlette (1661–1725) and His Logica nova at the University of Halle, in: Marian Füssel / Andreas Pečar (Hg.): Aufklärungsuniversitäten im Alten Reich? Halle, Göttingen und der Wandel der deutschen Universität im 18. Jahrhundert Berlin; Boston: De Gruyter 2024, S. 95–125.
Radeva, Zornitsa: Hermann Conring (1606–1681), die Geschichte der Naturphilosophie und die Herausforderung der frühneuzeitlichen Empirie, in: Hartmut Beyer / Sinem Kılıç / Bernd Roling / Benjamin Wallura (Hg.): Alte und neue Philosophie: Aristotelismus und protestantische Gelehrsamkeit in Helmstedt und Europa (1600–1700), Wiesbaden: Harrassowitz 2023, S. 179–202.
Reinhardt, Nicole: Distinction and Emulation: The Accademia degli Oziosi between Bologna, Mantua, and Rome, in: Rivista di letteratura storiografica italiana 7 (2023): S. 125–140, DOI.
Reinhardt, Nicole: Orizzonti (non) solo europei in un archivio patrizio Bolognese. La collezione di manoscritti di Vincenzo Ferdinando Ranuzzi Cospi tra Bologna, Londra e Austin/Texas, in: Francesca Boris / Maria Teresa Guerrini (Hg.): Il patriziato bolognese e l'Europa, Bologna: Il Chiostro dei Celestini 2022, S. 203–218.
Reinhardt, Nicole: Confessors, in: Erin Griffey (Hg.): Early Modern Court Culture, London: Routledge, Taylor & Francis Group 2022, S. 84–97.
Sing, Manfred: Islam und Antisemitismus, in: Merkur 900 (2024): S. 99–108.
Ziele
Dieser Arbeitsbereich begreift Europa als religiös pluralen Raum und analysiert, wie sich Religion als Wissen, Erfahrung und Interaktion hier historisch artikuliert. Die Untersuchung der Entstehung von Wissen von und über Religion ist Teil der Geschichte einer europäischen Epistemik der Welterfassung, die immer in Auseinandersetzung mit der außereuropäischen Welt erfolgte. Im Fokus stehen dabei die Generierung und Mobilisierung religiösen Wissens durch die historischen Akteure. Im Widerstreit von religiösen Experten und Laien wird religiöses Wissen geschaffen, gesichert und immer wieder neu verhandelt. Der dynamische Austausch mit anderen Wissensfeldern, etwa der (Natur-) Philosophie, Medizin, Ökonomie oder Politik, trägt dazu bei, dass religiöses Wissen immer wieder nicht nur repositioniert, sondern auch reformuliert wird.
Religiöse Erfahrung und Interaktion sind eng verwoben, sollen aber analytisch getrennt werden. Unter Erfahrung werden vornehmlich nach Innen gerichtete Aspekte und Praktiken der gelebten Religion verstanden. Hierunter fallen Mystik, Spiritualität und Frömmigkeit, Ästhetik, Selbst-Kultivierung und Individualisierung, einschließlich der Rolle der Sinne und Emotionen. Die differenzierte Untersuchung religiöser Erfahrungen erlaubt es, historische Brüche, aber auch individuelle und kollektive Neuverortungen sowie deren identitätsstiftende Funktion zu erfassen.
Religion als Interaktion fokussiert die pragmatische Dimension von Religion und lässt so erkennen, wie und wodurch religiöses Wissen und religiöse Erfahrung gesellschaftlich relevant werden. Hierdurch kommt Religion als soziale Tatsache und fundamentale Form menschlicher Kommunikation in den Blick, die menschliche Gemeinschaften auszeichnet, begründet und erhält. Religiöse Interaktionen sind damit grundlegend für das Verständnis von Zeit, Herkommen und Zukunft von Gruppen und Individuen. Sie vermitteln und legitimieren Strukturen und Hierarchien, die historisch von stetigem Wandel, Neuarrangements und Synkretismus geprägt sind. Mission, Migration und Diaspora, aber auch Vertreibung und Versklavung wirken als konstitutive, aber ambivalente Faktoren in diesen Prozessen. Die Forschungsagenda des IEG umfasst daher die Untersuchung der komplexen religiösen Konstellationen für die innere Konfiguration Europas einerseits sowie für die daraus folgenden Weltbezüge seit der Frühen Neuzeit andererseits.