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Multiple konfessionelle Zugehörigkeiten? Rezeption und Zensur des Mainzer Dompredigers Johann Wild OFM (1495–1554)

Für den Mainzer Domprediger Johann Wild OFM (Ferus, 1495–1554) bedeutete Christsein vor allem Bereitschaft zur Buße. In diesem Sinne versuchte er in seinen Postillen und Bibelkommentaren, die aufkommende konfessionelle Spaltung zu überwinden und zitierte katholische wie auch evangelische Autoren. Zugleich prangerte er auf der Kanzel die Missstände in der Kirche vehement an, vermied dabei aber jegliche Kontroverstheologie und mahnte die Gläubigen, der römischen Kirche treu zu bleiben.
Aus religionspolitischen Gründen schätzten die Mainzer Erzbischöfe dieses »vermittlungstheologische« (»irenische«, »erasmianische«) Profil Wilds und ordneten 1550 an, seine Werke zu drucken. Diese verkauften sich zwar bestens und verbreiteten sich in ganz Europa, aber die kirchlichen Zensoren in Paris, Salamanca und Rom verdächtigten Wild des »Lutheranismus« und setzten ihn auf den Index der verbotenen Bücher. Dennoch ließen sie expurgierte Neuausgaben einzelner Werke drucken, weil sie Wilds Predigtkunst und seine Kirchentreue bewunderten. Andererseits sahen manche Protestanten in Wild ein seltenes Exemplar eines »testis veritatis« innerhalb des katholischen Lagers.
In seinem Projekt rekonstruierte Markus Müller die »Vermittlungstheologie« Johann Wilds und untersuchte sowohl die Zensur und Expurgation seiner Werke in Frankreich, Spanien und Italien als auch die positive Rezeption in den verschiedenen Konfessionen. Aus dem Vergleich der disparaten Urteile über Wild ergaben sich neue Einsichten darüber, wo die Grenzlinien konfessioneller Zugehörigkeit entstanden und wie sie gezogen wurden.