Religion und Politik. Der ›Nationale Verein zur Unterstützung der italienischen katholischen Missionare‹ und die »Chinesischen Entschädigungen« (1886–1912)
Im Zentrum des Dissertationsprojektes stehen der 1886 in Florenz gegründete Nationale Verein zur Unterstützung der italienischen katholischen Missionare (Associazione Nazionale per Soccorere i Missionari Cattolici Italiani – kurz: ANSMCI) und seine Verwicklung in die sogenannten Chinesischen Entschädigungen, im Nachgang des Boxerkrieges in China (1899–1901). Übergeordnet ist die Frage nach der Annäherung und zunehmenden Überlappung der religiösen und politischen Sphäre im imperialen, humanitären Kontext zwischen 1886 und 1912, vor dem Hintergrund des (Spannungs-)Verhältnisses von Staat/Kolonialismus und Kirche/Mission in Italien, der damit einhergehenden Entwicklung des politischen Katholizismus sowie der italienischen Kolonialbestrebungen, insbesondere mit Blick auf die Beteiligung Italiens am Boxerkrieg.Bis zur Lockerung des päpstlichen Wahlverbots (1905) und der Gründung der Partito Popolare Italiano (1919), spielte sich nach der Gründung des italienischen Nationalstaates ein großer Anteil des »politischen« Lebens von italienischen Katholik:innen in Vereinen, Verbänden, Organisationen und der Presse ab, mehr oder minder vernetzt mit der (partei-)politischen Sphäre. Auch die Entwicklung des ANSMCI war eng gekoppelt an das Spannungsverhältnis zwischen Staat und Kirche in Italien: Primär betätigte sich der ANSMCI als Förderer von Bauvorhaben im Zusammenhang mit italienischen Missionen, darunter die vom Boxerkrieg betroffene italienische Franziskaner-Mission in China. Gegründet wurde der Verein unter der Prämisse, die
»vom Vaterland vernachlässigten“ italienischen Missionare von „fremden Protektoraten zu befreien, den italienischen Charakter ihrer Missionen zu bewahren […] sowie Schulen für Kinder beiderlei Geschlechts zu eröffnen, in welchen gemeinsam mit der katholischen Wahrheit die italienische Sprache unterrichtet […] [werden sollte], um so neue Tätigkeitsfelder christlicher Kultur […] und neue Handelswege zu eröffnen.«
(Conti 1887; zit. nach Piano 1970)
Die vornehmlich transigenten Mitglieder des ANSMCI definierten die Aktivitäten ihres Vereins mehrheitlich als »humanitär«, während der Verein zunehmend Einfluss auf (außen-)politisch relevante Prozesse nahm. Die getöteten italienischen Missionar:innen boten der italienischen Regierung eine Legitimationsgrundlage, sich in der Hoffnung auf Kolonialgebiete trotz Kritik aus Parlament und Presse am Boxerkrieg zu beteiligen, und bewirkten gleichzeitig auch einen Meinungswandel in tendenziell kolonial- bzw. regierungsskeptisch eingestellten katholischen Kreisen. 1901 übertrug die italienische Regierung dem ANSMCI die Administration der Chinesischen Entschädigungen; 1905 endete das französische Protektorat über die italienischen Missionen.
Mit Fokus auf den ANSMCI, seine gesellschaftlich-politische Situation und die Chinesischen Entschädigungen, spannt das Projekt folglich einen Bogen vom politischen Katholizismus zur Zeit des päpstlichen Wahlverbotes, über die italienische Franziskaner:innen-Mission in China, das französische Missionsprotektorat sowie die italienische Beteiligung am Boxerkrieg (1899–1901), bis hin zum Wandel des italienischen Kolonialdiskurses sowie der zunehmenden »Nationalisierung« des italienischen Katholizismus vor dem ersten Weltkrieg.
Im Zentrum des Dissertationsprojektes stehen der 1886 in Florenz gegründete Nationale Verein zur Unterstützung der italienischen katholischen Missionare (Associazione Nazionale per Soccorere i Missionari Cattolici Italiani – kurz: ANSMCI) und seine Verwicklung in die sogenannten Chinesischen Entschädigungen, im Nachgang des Boxerkrieges in China (1899–1901). Übergeordnet ist die Frage nach der Annäherung und zunehmenden Überlappung der religiösen und politischen Sphäre im imperialen, humanitären Kontext zwischen 1886 und 1912, vor dem Hintergrund des (Spannungs-)Verhältnisses von Staat/Kolonialismus und Kirche/Mission in Italien, der damit einhergehenden Entwicklung des politischen Katholizismus sowie der italienischen Kolonialbestrebungen, insbesondere mit Blick auf die Beteiligung Italiens am Boxerkrieg.
Bis zur Lockerung des päpstlichen Wahlverbots (1905) und der Gründung der Partito Popolare Italiano (1919), spielte sich nach der Gründung des italienischen Nationalstaates ein großer Anteil des »politischen« Lebens von italienischen Katholik:innen in Vereinen, Verbänden, Organisationen und der Presse ab, mehr oder minder vernetzt mit der (partei-)politischen Sphäre. Auch die Entwicklung des ANSMCI war eng gekoppelt an das Spannungsverhältnis zwischen Staat und Kirche in Italien: Primär betätigte sich der ANSMCI als Förderer von Bauvorhaben im Zusammenhang mit italienischen Missionen, darunter die vom Boxerkrieg betroffene italienische Franziskaner-Mission in China. Gegründet wurde der Verein unter der Prämisse, die
»vom Vaterland vernachlässigten“ italienischen Missionare von „fremden Protektoraten zu befreien, den italienischen Charakter ihrer Missionen zu bewahren […] sowie Schulen für Kinder beiderlei Geschlechts zu eröffnen, in welchen gemeinsam mit der katholischen Wahrheit die italienische Sprache unterrichtet […] [werden sollte], um so neue Tätigkeitsfelder christlicher Kultur […] und neue Handelswege zu eröffnen.«
(Conti 1887; zit. nach Piano 1970)
(Conti 1887; zit. nach Piano 1970)
Die vornehmlich transigenten Mitglieder des ANSMCI definierten die Aktivitäten ihres Vereins mehrheitlich als »humanitär«, während der Verein zunehmend Einfluss auf (außen-)politisch relevante Prozesse nahm. Die getöteten italienischen Missionar:innen boten der italienischen Regierung eine Legitimationsgrundlage, sich in der Hoffnung auf Kolonialgebiete trotz Kritik aus Parlament und Presse am Boxerkrieg zu beteiligen, und bewirkten gleichzeitig auch einen Meinungswandel in tendenziell kolonial- bzw. regierungsskeptisch eingestellten katholischen Kreisen. 1901 übertrug die italienische Regierung dem ANSMCI die Administration der Chinesischen Entschädigungen; 1905 endete das französische Protektorat über die italienischen Missionen.
Mit Fokus auf den ANSMCI, seine gesellschaftlich-politische Situation und die Chinesischen Entschädigungen, spannt das Projekt folglich einen Bogen vom politischen Katholizismus zur Zeit des päpstlichen Wahlverbotes, über die italienische Franziskaner:innen-Mission in China, das französische Missionsprotektorat sowie die italienische Beteiligung am Boxerkrieg (1899–1901), bis hin zum Wandel des italienischen Kolonialdiskurses sowie der zunehmenden »Nationalisierung« des italienischen Katholizismus vor dem ersten Weltkrieg.