»Minhag Italia«: Variationen des Jüdischseins im 19. Jahrhundert im Spiegel italienischer Gebetbücher. Eine digitale Analyse
Ziel dieses Projekts ist eine digitale und konzeptuelle Analyse der italienischen jüdischen Gebetbücher des 19. Jahrhunderts. Gebetbücher umfassen jeden Aspekt des jüdischen Lebens, vom täglichen Gebet bis zu den besonderen Anlässen der Hohen Feiertage und sind daher – gemessen an der Zahl der Ausgaben und Auflagen – das am häufigsten gedruckte Buch im Judentum. Trotz ihrer Prominenz im jüdischen Leben haben sie kaum akademische Aufmerksamkeit erhalten, weil sie als stabile Faktoren angesehen wurden, deren Analyse keine Dynamik zeigen würde. Es stimmt zwar, dass Gebetbücher eine gewisse Einheitlichkeit in Raum und Zeit beibehielten. Aber anhand der kleinen Änderungen der verschiedenen Ausgaben lassen sich tatsächlich wesentliche Änderungen in der politischen und kulturellen Wahrnehmung einer bestimmten Richtung des Judentums an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit untersuchen. Mittels OCR (Optical Character Recognition – Optische Zeichenerkennung) sollen diese Variationen herausgefiltert werden, um Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: Wie hängen Materialität und Spiritualität zusammen? Gab es – sich im Lauf der Zeit ändernde – Muster in Bezug auf Siddurim und Mahzorim als religiöse / heilige Objekte? Wie bezeugen Gebetbücher den Aufbau der jüdischen Identität ihrer Besitzer? Lassen sich an den Veränderungen der Gebetbücher Tendenzen der Desakralisierung des italienischen Judentums im 19. Jahrhundert erkennen?