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Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess. Europa 1450–1789

Die Teilprojekte des BMBF-geförderten Verbundprojekts am IEG, am Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg und an der Staatsgalerie Stuttgart untersuchten in einer gesamteuropäischen Perspektive die Bedeutung der Diplomatie und Sprache im Friedensprozess der entstehenden Neuzeit. Dabei stand die Analyse der Vermittlung von verschiedenen Wissensformen im Vordergrund der einzelnen Untersuchungen. Einerseits wurde herausgearbeitet, wo und wann die entsprechenden Transferleistungen eine Verständigung möglich machten, andererseits zeigten die Untersuchungen auch die Grenzen dieses Prozesses. Durch die Analyse von Missverständnissen im Kommunikationsprozess wurde auch das Scheitern von Übersetzungsleistungen in die Untersuchungen eingeschlossen. Die Analyse von in der Frühen Neuzeit gebräuchlichen Metaphern zeigte, dass die bis heute gebräuchlichen Beschreibungsformen der internationalen Beziehungen zu wesentlichen Teilen bereits in der Frühen Neuzeit geprägt wurden. Das Mainzer Teilprojekt unter der Leitung von Heinz Duchhardt und Martin Espenhorst war in zwei Arbeitspaketen strukturiert:

a) Begründungsmetaphern in Friedensverträgen
»Ewiger Frieden«, das »Gleichgewicht Europas« und ähnliche Formulierungen gehören im vormodernen Friedensprozess zum üblichen Metaphernvokabular, um Friedens- und Allianzverträge verschiedener Parteien zu legitimieren. Vertragsziel war in aller Regel die (Wieder-) Herstellung eines friedlichen, gemeinschaftlichen Miteinanders, das man durch eine oder mehrere Mächte bedroht sah. Die von Niels F. May bearbeitete Teilstudie Die politischen Sprache und Metaphern im Friedensprozess untersuchte den Wandel von Beschreibungsformen der internationalen Beziehungen. Beispielhaft wurde anhand der Begriffe des »Gleichgewichts« und des »Systems« analysiert, wie diese Metaphern den Transformationen der im Entstehen begriffenen Staatenwelt angepasst wurden. Ungefähr zeitgleich lässt sich für beide Begriffe ein Wandel beobachten, der in der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs anzusetzen ist. Der Begriff des Gleichgewichts transformierte sich in der Folgezeit zu einem Konzept, das nicht mehr über die Waage versinnbildlicht wurde. Diese Fassung der Metapher beschrieb nämlich in erster Linie ein bipolares System, wie es durch den französisch-spanischen Gegensatz im 17. Jahrhundert gekennzeichnet war. Die Autoren des 18. Jahrhunderts griffen dagegen auf ein schon kurzzeitig im 16. Jahrhundert verwendetes Bild zurück, um die Metapher des »Gleichgewichts« zu beschreiben: den Steinbogen, in dem jedes Element tragend ist für die Gesamtkonstruktion. Damit versuchten sie die nun mehr multipolaren Interessens- und Konfliktlagen zu analysieren. Parallel dazu lässt sich beobachten, wie der Begriff des »Systems« zunehmend als Beschreibung auf die internationalen Beziehungen Verwendung findet. Abbé Saint-Pierre versuchte mit diesem von Hobbes entlehnten Begriff dessen Beschreibung des Naturzustandes aufzunehmen, der durch den ständigen Machtkampf zwischen den Monarchen versinnbildlicht wurde. Ziel dieser Teilstudie war eine exemplarische Erforschung der Bedeutungsverschiebungen in den Metaphern der politischen Sprache der Frühen Neuzeit, die ein friedliches Miteinander ermöglichen sollten. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass erst durch die Metaphern der begriffliche Rahmen zur Konzeptualisierung der Gemeinschaft und somit des Neben- und Miteinanders geschaffen wurde. Zwei weitere Teilstudien in diesem Arbeitspaket untersuchten Staatliche Souveränität als neue Begründungsmetapher außenpolitischen Entscheidens unter dem Rubrum von der natürlichen Herrscherperson zur Eigenpersönlichkeit des Staates (Daniel Hildebrand) sowie die Übersetzungsleistungen von Diplomatie im interkulturellen Friedensprozess am Beispiel der Beziehung zwischen Habsburg und dem Osmanischen Reich im 18. Jahrhundert. Dieses von Dennis Dierks vom 01.06.2009 bis 31.03.2011 begonnene Projekt wurde von Maria Baramova (01.05.2011 bis 30.11.2012) weitergeführt und neu akzentuiert: Ihre Teilstudie Vom Waffenstillstand zum »Pax Aeterna«. Europäische Formulierungen und osmanische Interpretationen in den Habsburgischen Friedensverträgen mit der Pforte, 1718–1791 ging der Frage nach, was die Osmanen dazu bewogen hatte, von ihren ideologischen Postulaten in den Beziehungen zu den christlichen Staaten, die sich in den abgeschlossenen Friedenstraktaten widerspiegelten, Abstand zu nehmen. Sie untersuchte in den einschlägigen österreichischen Archiven in Wien, wie es die Habsburger in der veränderten machtpolitischen Konstellation vis-à-vis der Hohen Pforte verstanden, ihre Vormachtstellung in Südosteuropa auch auf dem Feld der begrifflichen Deutung traditioneller Topoi in den habsburgisch-osmanischen Beziehungen des 16. bis 17. Jahrhunderts geltend zu machen. Allerdings konnte Baramova zeigen, dass die 1747 durch eine habsburgisch-osmanische Konvention vollzogene »Verewigung« des Belgrader Friedens von 1739 nicht als »Pax Perpetua« verstanden werden darf – weder im europäischen, noch im muslimischen Völkerrechtsverständnis. Stattdessen ist von einem »Entfristen des Belgrader Friedens« zu sprechen, was der eigentlichen machtpolitischen und völkerrechtlichen Situation im Spannungsfeld »Wien – Konstantinopel« gerecht wird. Während eines Forschungsaufenthalts am Institut für deutsche Pressegeschichte in Bremen untersuchte Baramova die Präsenz des Themas »Frieden, Friedensbegriffe, Friedensdeutungen « in den deutschen Zeitungen und Journalen im Kontext der habsburgisch-osmanischen Beziehungen der 1740er bis 1770er Jahre. Die Forschungsergebnisse wurden auf internationalen Tagungen vorgestellt und wurden bzw. werden in den Projektsammelbänden Unwissen und Missverständnisse im vormodernen Friedensprozess und Frieden übersetzen in der Vormoderne veröffentlicht.

b) Unwissen und Missverständnisse im europäischen Friedensprozess
Dieses Arbeitspaket wurde in erster Linie von Martin Espenhorst getragen. Ziel war es, die aktuelle internationale kulturwissenschaftliche Debatte über Ignoranz, Unwissen und Missverständnis auf die vormoderne Friedensforschung zu übertragen. Missverstand lässt sich als Begründungsmetapher in Friedensverträgen nachweisen. Indem sie die Frage nach den Kriegsursachen ausblendet, trägt diese Metapher zur Stiftung des Friedens bei. Insofern kann der Missverstand-Klausel eine ähnliche Bedeutung wie der Amnestie beigemessen werden. Auch frühneuzeitliche Gelehrte reflektierten über Missverstand – z.B. Grotius und Johann Jacob von Moser und Karl Friedrich von Moser. Hiervon zu unterscheiden sind sprachliche oder kulturelle Missverständnisse, die auf Friedensverhandlungen antizipiert, aber auch bewusst eingesetzt wurden. Sie konnten durch Doppel- oder Mehrfachbedeutungen von Begriffen entstehen, aber auch durch Gesten, differente Geschenkpraktiken und übten somit Effekte auf den Friedensprozess aus. Während die Missverstand-Klausel häufig und vermehrt in skandinavischen Friedensverträgen auftrat, sahen die westeuropäischen Vertragspartner die Gefahr von Missverständnissen vor allem im Kontakt mit dem Osmanischen Reich. Forschungsergebnisse aus dem Arbeitspaket wurden in einzelnen Vorträgen und einem interdisziplinären Arbeitsgespräch »Unwissen und Missverständnisse im vormodernen Friedensprozess« (IEG, 11.–12.04.2012) zur Diskussion gestellt sowie in den Tagungsbänden Frieden durch Sprache? und Frieden übersetzen in der Vormoderne veröffentlicht.

Beteiligte am IEG waren: Prof. Dr. Heinz Duchhardt, Dr. Martin Espenhorst, Dr. Daniel Hildebrand, Dr. Maria Baramova, Niels F. May M.A., Monika Frohnapfel M.A.