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Graduiertenkolleg »Die christlichen Kirchen vor der Herausforderung ›Europa‹ (1890 bis zur Gegenwart)«

Das Graduiertenkolleg richtete seinen Blick auf Reaktionen im Europäischen Einigungsprozess sowie auf Rückwirkungen und Aktivitäten, die er auf kirchlichem Gebiet in Gang setzte. Zudem nahm das Graduiertenkolleg die Bemühungen der Kirchen in den Blick, religiöse Wertvorstellungen in die politischen Prozesse einzubringen.
Indem das Graduiertenkolleg »Die christlichen Kirchen vor der Herausforderung ›Europa‹« (IEG und JGU Mainz) seinen Blick auf die Kirchen richtete, erweiterte es die politische Perspektive, um die Spannungen zu analysieren zwischen dem säkularen Entwurf »Europäische Einigung« und dem Anspruch der Kirchen, sich in diesem Prozess zu behaupten und ihm ihre Werte einzuschreiben. Die Bemühungen der Kirchen, religiöse Wertvorstellungen in die politischen Prozesse einzubringen, vollzogen sich vor dem Hintergrund der krisenhaften Erfahrung des Zweiten Weltkrieges, des Holocaust und der Totalitarismen, aber auch des fortschreitenden Zusammenbruchs der europäischen Kolonialreiche. Das Forschungsprogramm mit den darauf bezogenen Dissertationen gliederte sich in drei Schwerpunkte:

  1. Die Kirchen und der Europadiskurs – kirchliche Positionierungen in der Zwischenkriegszeit und seit dem Zweiten Weltkrieg
  2. Öffentlichkeit und Handlungsräume: Wege – Medien – Akteure
  3. Kirche und gesellschaftliche Verantwortung in Europa und in der Welt: Werte und ethische Konzeptionen
Die Forschungsschwerpunkte waren so angelegt, dass sie die spezifischen Fragestellungen und methodischen Zugänge der am Graduiertenkolleg beteiligten Disziplinen integrierten. Der erste Zugang nahm die institutionelle Ebene der europäischen Kirchen und kirchlicher/kirchennaher Organisationen in den Blick. Zunächst wurde nach den Verlautbarungen aus Kirchenkreisen in der Zeit von 1890 bis zum Zweiten Weltkrieg gefragt und dabei auch die Instrumentalisierung von Kirchen bzw. Kirchenrepräsentanten durch die Europa-Bewegung thematisiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstand dann als Reaktion auf die Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus auch in den Kirchen ein auf europäische Vernetzungen zielendes pazifistisches Potential, das mit den politischen Integrationsbemühungen in Interferenz treten konnte, aber nicht musste. Der zweite Schwerpunkt stellte dem auf die Kirchen als Institutionen gerichteten Fokus die Perspektive auf die kirchennahen Organisationen und Entscheidungsträger zur Seite, die in die Öffentlichkeit hineinwirkten und deren Meinungsbildung entscheidend mitgestalteten. Somit konnte der Frage nachgegangen werden, wie kirchenamtliche oder -offiziöse Positionen zustimmend, kritisch ablehnend oder modifizierend aufgenommen wurden. Dies wurde drittens ergänzt durch den Aspekt der globalen Ausstrahlung und Wirkung, die die kirchlichen Perspektiven auf Europa hervorbrachten. Dass diese sich insbesondere auf dem Feld der Werte-Diskussion und der ethischen Konzeptionen für ein zusammenwachsendes Europa konzentrieren würden, liegt auf der Hand, zumal die kirchliche Kompetenz für Europa auch im Selbstverständnis der Kirchen nicht primär auf politischem, sondern weit stärker auf dem Feld sozialethischer Fragestellungen angesiedelt war und ist. 

Das im November 2008 gemeinsam von der Johannes Gutenberg-Universität (JGU Mainz) und dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) beantragte und von der DFG geförderte Graduiertenkolleg kam nach insgesamt neunjähriger Laufzeit zum Abschluss. Bei einer am 14.–16. Februar 2018 zu diesem Anlass stattfindenden Tagung, erörterte eine hochkarätig besetzte öffentliche Podiumsdiskussion »Die Haltung der Kirchen zu den gegenwärtigen Grundlagen Europas«. 

Im Rahmen des interdisziplinär und international ausgerichteten GRK wurden 24 Doktorandinnen und Doktoranden sowie 4 Postdoktorandinnen und Postdoktoranden gefördert. Neben den Dissertationen dokumentieren drei unter dem Titel »Die europäische Integration und die Kirchen« erschienene Bände die Forschungsergebnisse des GRK (publiziert in der Reihe »Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte« im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht).
 

Beteiligte des IEG: Prof. Dr. Irene Dingel, Dr. Małgorzata Morawiec, Prof. Dr. Johannes Paulmann, Dr. Urszula Pękala, Dr. John Carter Wood