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Neuedition der Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche

 

 




Concordia. [JHWH.] Christliche, Widerholete, einmütige Bekentnüs nachbenanter Churfürsten, Fürsten und Stende Augspurgischer Confession und derselben Theologen Lere und glaubens: Mit angeheffter, in Gottes wort als der einigen Richtschnur wolgegründter erklerung etlicher Artickel, bey welchen nach D. Martin Luthers seligen absterben Disputation und streit vorgefallen. Aus einhelliger vergleichung und bevehl obgedachter Churfürsten, Fürsten und Stenden derselben Landen, Kirchen, Schulen und Nachkommen zum underricht und warnung in Druck vorfertiget. Mit Churf. G. zu Sachsen befreihung. Dreßden. M.D. LXXX.

 

So lautet der vollständige Titel des deutschen Konkordienbuchs von 1580 (authentische lateinische Ausgabe Leipzig 1584). Es enthält – nach einer Vorrede – die drei Altkirchlichen Symbole (Apostolicum, Nicaenum und Athanasianum), die Confessio Augustana, die Apologie der Confessio Augustana, die Schmalkaldischen Artikel, den – auf Philipp Melanchthon zurückgehenden – Tractatus de potestate et primatu Papae, den Kleinen und Großen Katechismus Martin Luthers sowie als letztes und ausführlichstes Stück die Konkordienformel.

Das Konkordienbuch sollte die insbesondere nach dem Schmalkaldischen Krieg und dem Interim von 1548 ausgebrochenen innerprotestantischen Streitigkeiten befrieden und die Evangelischen – auch auf europäischer Ebene – erneut unter einem Bekenntnis einen. Dazu diente die durch die Konkordienformel vorgenommene Interpretation der Confessio Augustana und die Zusammenstellung von theologisch maßgeblichen und die Theologie Martin Luthers unterstützenden bzw. repräsentierenden Schriften nach Art eines Corpus Doctrinae, d.h. als Sammlung normgebender Schriften für Glauben, Lehre und Bekenntnis. Man vermied allerdings diese Bezeichnung, um das Konkordienwerk nicht in Konkurrenz zu dem damals einflussreichen Corpus Doctrinae Philippicum (1560) und anderen, territorial gebundenen Corpora Doctrinae zu bringen. Das Konkordienbuch wurde am 25. Juni 1580, dem 50. Jahrestag der Übergabe der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag, gedruckt veröffentlicht.

Die erste wissenschaftliche Edition dieser Texte erschien 1930 und erfuhr seitdem zahlreiche Nachdrucke. Im Zuge der sogenannten Reformations- bzw. Lutherdekade (2007–2017) ist nun die völlige Neuedition der Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSELK), wie sie im Konkordienbuch enthalten sind, von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) (Ansprechpartner: Dr. Martin Hauger) angeregt worden. Hierzu hat sich ein Gremium namhafter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammengefunden, die die Bearbeitung der einzelnen Stücke übernommen haben.

Die Neuedition soll die aktuelle Forschungslage zu den einzelnen Schriften widerspiegeln, die sowohl in einleitenden Texten als auch durch Erklärungen und Hinweise zum Inhalt im sachlichen Apparat vermittelt wird. Durch den Einsatz von Textverarbeitungs- und Satzprogrammen wird darüber hinaus eine übersichtliche und benutzerfreundliche editorische Textgestaltung gewährleistet.

Beteiligt: Dr. Klaus Breuer (Heidelberg) – Prof. Dr. Irene Dingel (Mainz) – Prof. Dr. Volker Leppin (Tübingen) – Prof. Dr. Christian Peters (Münster) – Prof. Dr. Adolf Martin Ritter (Heidelberg) – Prof. Dr. Dr. Johannes Schilling (Kiel) – Dipl. Theol. Hans-Otto Schneider (Mainz) – Marion Bechtold-Mayer (Mainz)  – Prof. Dr. Robert Kolb (St. Paul, USA) – Bastian Basse – Rafael Kuhnert

Ansprechpartnerin: Marion Bechtold-Mayer M.A. (Mainz)

 

Vorrede (Prof. Dr. Irene Dingel / Marion Bechtold-Mayer M.A., Mainz)

Ziel der Vorrede zu Konkordienformel und Konkordienbuch war es, Ludwig VI. von der Pfalz als letzten der drei weltlichen Kurfürsten für das Konkordienwerk zu gewinnen. Anders als August von Sachsen und Johann Georg von Brandenburg zögerte Ludwig VI. nämlich recht lange mit seiner Zustimmung. Die Vorrede sollte ihm und allen übrigen Kritikern und Zauderern insofern den Weg zur Concordia erleichtern, als sie versuchte, auf die auch nach Abschluss der Konkordienformel noch weiterhin bestehenden kontroversen Fragen einzugehen und vermittelnde Formulierungen zu finden. Dem Abdruck der Praefatio im Konkordienbuch, gefolgt von den Namen der unterzeichneten Fürsten und Städte des Reichs mit – der politischen Bedeutung gemäß – dem schließlich gewonnenen Pfälzer Kurfürsten an erster Stelle, waren intensive Beratungen über deren angemessene Konzeption vorausgegangen. Denn die Vorrede sollte Leitaspekte für Verständnis und Interpretation der Konkordienformel ansprechen.

Für die Neuedition der BSELK werden die verschiedenen Vorstufen der Vorrede, die im Hauptstaatsarchiv in Dresden erhalten sind, mit dem veröffentlichten Text verglichen, um so das Ringen um die geeigneten Formulierungen aufzuzeigen. Dies wirft Licht auf den Integrationswillen der Theologen und das Integrationspotential, das man dem Konkordienbuch verleihen wollte.

 

Altkirchliche Symbole (Prof. Dr. Adolf Martin Ritter, Heidelberg)
 
Das altkirchliche Dogma, wie es seinen Niederschlag gefunden hat in den drei, der Sammlung lutherischer Bekenntnisschriften im Konkordienbuch vorangestellten Symbolen, dem sog. Apostolicum, dem sog. Nicaenum und dem sog. Athanasianum, ist keineswegs nur ein – längst überwundenes – Überbleibsel kirchlicher Tradition und stellt auch keinen Fremdkörper in der reformatorischen Theologie des Wortes dar. Vielmehr ist es von den Reformatoren ganz bewusst festgehalten worden, um den Zusammenhang mit der alten – und wahren – Kirche unter Beweis zu stellen. Darüber hinaus lässt sich zeigen, dass die zentrale Botschaft der lutherischen Reformation, die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben, ohne ihre Verwurzelung im altkirchlichen Dogma (besonders in der Lehre von der Gottmenschheit Christi und seinem Opfertod) kaum denkbar ist. Dieses Dogma gehört zugleich zu den nicht in Frage gestellten Grundvoraussetzungen reformatorischer Schriftauslegung.

Die Zusammenstellung der drei Symbole haben die Reformatoren ebenfalls der Tradition entnommen, diesmal der des Hochmittelalters (erstmals nachweisbar bei Alexander von Hales, Summa theologica III 2, 2, 1, 2). Dass ihre  traditionelle Zuweisung (an »die Apostel«, das Konzil von Nizäa [325] bzw. den Kirchenvater Athanasius von Alexandrien [gest. am 3. Mai 373]) nach heutiger Sicht durchweg unzutreffend ist, tut ihrem Anspruch auf »Wahrheit« kaum ernstlichen Abbruch.

Die Edition dieser Bekenntnistexte mit einer historischen Einleitung sucht diese zum einen in die Entstehungsgeschichte altkirchlicher »Glaubensregeln« und Symbole einzuordnen und zum andern ihre Rezeptionsgeschichte bis zur Fixierung jener Textformen zu verfolgen, in denen sie das Konkordienbuch nach dem Vorbild vor allem Luthers übernahm.

 

Confessio Augustana (Prof. Dr. Volker Leppin, Tübingen)
 
Die Confessio Augustana erfüllte die Aufforderung des Ausschreibens Kaiser Karls V. zum Augsburger Reichstag 1530, nachdem jede Partei ihre »Opinion und Meinung« darlegen solle. Sie ist in einem mehrstufigen Prozess entstanden und wurde zunächst als »Apologia« bezeichnet. Eine Vorbereitungsgruppe in Torgau hat im Frühjahr 1530 eine Verteidigungsschrift für die vollzogenen Veränderungen verfasst: die im Textbestand nicht genau rekonstruierbaren »Torgauer Artikel“. Im Zuge der Auseinandersetzungen erwies es sich als notwendig, diese durch Lehrartikel zu ergänzen, für die man auf die Schwabacher Artikel vom Sommer 1529 und die Marburger Artikel vom Oktober desselben Jahres zurückgreifen konnte. Die redaktionelle Zusammenfügung und weite Teile der Formulierung, auch der ersten Vorrede, lagen bei Philipp Melanchthon. Dabei wurde es auf dem Reichstag zunehmend wichtig, den Charakter von einer bloß kurfürstlich-sächsischen Apologie zu einem gemeinsamen reformatorischen Text auszuweiten, wofür insbesondere die Gewinnung Philipps von Hessen von Bedeutung war. Dem grundlegenderen Charakter entsprach auch die nun vom sächsischen Altkanzler Brück verfasste neue Vorrede. Am 25. Juni 1530 wurde das Bekenntnis vorgetragen. Auch wenn er keine reichsrechtliche Anerkennung gewann, lag seine Bedeutung doch darin, dass hiermit ein Referenztext entstanden war, auf den sich die allermeisten reformationsorientierten Stände beziehen konnten.

Die Originalhandschriften sind verloren. Die wirkungsgeschichtlich maßgebliche Textfassung wurde die Wittenberger Editio princeps von 1531. Ihr folgt auch die Wiedergabe des Textes in der Neuedition, was für den lateinischen Text auch der Praxis des Konkordienbuches entspricht; dessen deutscher CA-Text folgte einer Handschrift aus der Mainzer Erzkanzlei, die fälschlich für das Original gehalten wurde. Insofern bedeutet die Neuedition eine Angleichung der editorischen Praxis von lateinischem und deutschem Text. Der Editio princeps gingen aber mehrere Drucke und Abschriften voraus, deren Dokumentation Aufgabe des entstehungsgeschichtlichen Apparates ist. Da die Confessio Augustana insbesondere von Melanchthon als Teil weiterer Verhandlungsmöglichkeiten gesehen wurde, wurde der Text auch weiteren Veränderungen unterzogen. Die markantesten erfolgten in den Jahren 1533 und vor allem 1540, als die traditionell als »Confessio Augustana variata« bezeichnete Bearbeitungsstufe entstand. Diese Bearbeitungen, einschließlich jener von 1542, werden im wirkungsgeschichtlichen Apparat dokumentiert.

 

Apologie der Confessio Augustana (Prof. Dr. Christian Peters, Münster)

Entstehung und Texte: Nachdem die evangelischen Reichsstände am 25.6.1530 das Augsburger Bekenntnis übergeben und die katholischen Theologen mit der Arbeit an der Confutatio (Widerlegung) begonnen hatten, fassten die Kursachsen schon Mitte Juli den Beschluss, das evangelische Bekenntnis, falls erforderlich, durch eine weitere Schrift zu verteidigen. Am 3.8. 1530 wurde die Confutatio dann zwar verlesen, den Protestanten aber nicht ausgehändigt. Für ihre sofort einsetzende Arbeit an der Apologie waren Melanchthon und seine Kollegen daher auf die Mitschriften Dritter angewiesen. Bis Mitte August entstand nun die Urfassung der Apologie (»Grundschrift Spalatins«). Sie wurde von Melanchthon später noch erheblich erweitert (in Reaktion auf die Ausschussgespräche). Am 22.9.1530 wollte man die Apologie an den Kaiser übergeben, doch verweigerte der ihre Annahme. Nach seiner Rückkehr nach Wittenberg (Mitte Oktober), erhielt Melanchthon dann unverhofft einen Text der Confutatio und gestaltete die Apologie daraufhin völlig neu. Der erste lateinische Drucktext der Apologie (»Quarttext«) erschien im April / Mai 1531, wurde von Melanchthon aber als unzureichend empfunden (Rechtfertigungsartikel) und daher während des Sommers nochmals gründlich überarbeitet (»Oktavtext«; September 1531). Kurz darauf erschien endlich auch ein deutscher Text der Apologie (Justus Jonas; durch Melanchthon 1533 revidiert). Offizielle Bekenntnisschrift wurde die Apologie erst auf dem Bundestag zu Schmalkalden 1537. Das lateinische Konkordienbuch bot zunächst (1580) noch den (für die Reformationszeit bestimmenden) »Oktavtext«, kehrte dann aber 1584 wieder zum »Quarttext« zurück. Die neue Edition bietet erstmals den lateinischen »Oktavtext« und dessen natürliches Gegenstück, den deutschen Jonastext vom Frühjahr 1531. Außerdem zeigt sie im Apparat den für Karl V. bestimmten lateinischen Text vom September 1530.

Charakter und Inhalt: Die Apologie ist deutlich durch die schwierige Situation nach dem Scheitern des Augsburger Reichstages geprägt (drohender Religionskrieg; Entstehung des Schmalkaldischen Bundes). Sie folgt dem Aufbau des Augsburger Bekenntnisses und setzt sich dabei scharf mit der Confutatio und den in den Augsburger Gesprächen vorgetragenen Thesen der katholischen Theologen auseinander. Wirkungsgeschichtlich bedeutsam sind vor allem ihre Aussagen zur Rechtfertigungslehre und zum Wesen und Auftrag der Kirche geworden. Freilich hat sich gerade hier auch immer wieder die Kritik an Melanchthon festgemacht (angeblich zu einseitig »forensisches« Verständnis der Rechtfertigung, d.h. Verkürzung des vergebenden und [!] erneuernden Wortes Gottes [so Luther] zu einem bloßen Urteilsspruch).

Literatur: Augsburger Apologie: CR 27, (245-) 275-316 (lat.); (315-) 321-378 (dt.); »Quarttext« / »Oktavtext«: CR 27, (379-) 419-646; BSLK (XXIIf) 139-404 (»Quarttext«); Deutsche Apologie (1531 / 1533): CR 28, (1-) 37-326; BSLK (XXIIf) 139-404 (1531). - G. L. PLITT, Die Apologie der Augustana geschichtlich erklärt, 1873. - M. GRESCHAT, Melanchthon neben Luther, 1965. - CH. PETERS, Apologia Confessionis Augustanae, 1997 (Lit.).

 

Schmalkaldische Artikel (Dr. Klaus Breuer, Heidelberg / Dipl. Theol. Hans-Otto Schneider, Mainz)

Im Frühjahr 1536 verschlechterte sich Luthers Gesundheitszustand so deutlich, dass Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen den baldigen Tod des Reformators befürchten musste. Wohl aus Sorge vor danach möglichen Auseinandersetzungen über die Lehre dürfte er den Reformator aufgefordert haben, ein Glaubensbekenntnis im Sinne eines Testamentes abzufassen, das – unterschrieben von den führenden Theologen Sachsens – als verbindliche Zusammenfassung seiner Lehre gelten konnte. Nachdem Johann Friedrich die Bulle Pauls III. vom 2. Juni 1536 erhalten hatte, mit der auf den 23. Mai 1537 ein Konzil nach Mantua ausgeschrieben wurde, forderte er Wittenberger Theologen und Juristen zu einer  Stellungnahme zu der  Frage auf,  ob die Konzilseinladung anzunehmen sei und welche Artikel verhandelt werden müssten. Außerdem sei zu klären, ob man stillschweigend übergehen dürfe, dass der Papst beanspruche, seinen Primat iure divino auszuüben.

Anfang Dezember griff der Kurfürst die Sache in Form eines Bedenkens erneut auf und forderte Luther allein auf, die Artikel zusammenzustellen,  „Die er  bishere geleret,  geprediget  und geschrieben, uff ainem Concilio, auch in seinem leczten abeschied von dieser welt fur gottes allemechtigen gericht gedenkt zuberuhen und zupleiben und dorinnen an vorleczung gotlicher Maiestet … nit zuweichen.“ Daraufhin begann Luther  unverzüglich mit  der Niederschrift der Artikel.

Dem sächsischen Kurfürsten gelang es nicht, die Artikel Luthers auf dem am 7. Februar 1537 beginnenden Bundestag des Schmalkaldischen Bundes offiziell bestätigen zu lassen: einerseits wurde beschlossen, das Konzil  nicht  zu beschicken,  andererseits  konnten zahlreiche oberdeutsche Theologen und Melanchthon sich nicht  mit  dem Abendmahlsartikel anfreunden, der in der von Wittenberger Theologen überarbeiteten Fassung hinter den in der Wittenberger Konkordie von 1536 erzielten Kompromiss zurückging. So wurde den Theologen eine Unterzeichnung freigestellt (Unterschriften auf der von Spalatin angefertigten Reinschrift). Stattdessen wurden CA und Apologie erneut unterschrieben, ergänzt um den Tractatus de potestate et primatu papae (s. dort).

Nachdem das Konzil auf unbestimmte Zeit verschoben worden war, ließ Luther seine Artikel – mit einer Vorrede versehen und an einigen Stellen ergänzt – 1538 in Wittenberg im Druck erscheinen. Im Zusammenhang mit den Osiandrischen Streitigkeiten veranlasste Johann Friedrich eine Neuausgabe der Artikel, die 1553 mit einer Vorrede der Weimarer Hofprediger J[ohann] Stoltz und Johannes Aurifaber in Magdeburg erschien. Zahlreiche Kirchenordnungen und Corpora doctrinae führten die Artikel neben CA und Apologie als Lehrnorm auf, bis sie 1580 Bestandteil des Konkordienbuchs wurden. Grundlage für die Neuedition wird die Editio princeps von 1538 sein. Der lateinische Text basiert auf der von Nikolaus Selnecker für das lateinische Konkordienbuch von 1584 angefertigten Übersetzung.

 

Tractatus de potestate et primatu Papae (Dr. Klaus Breuer, Heidelberg)

Nach dem Scheitern der Bemühungen, Luthers „Schmalkaldische Artikel“ (s. dort) auf dem Bundestag der Schmalkaldener 1537 allgemein verbindlich zu machen, wurden die dort anwesenden Gelehrten stattdessen beauftragt, das Augsburger Bekenntnis und die Apologie durchzusehen und mit Schrift- und Kirchenväterzitaten zu „befestigen“. Es bedurfte freilich, da Luthers diesbezüglicher Artikel nicht mehr zur Debatte stand, ergänzender Artikel über die Gewalt des Papstes, deren Ausarbeitung den Theologen ebenfalls übertragen wurde. Ein Ausschuss von 13 Theologen musste die Arbeit jedoch nach dem 9. Artikel der CA abbrechen, da die notwendigen Bücher nicht zur Hand waren. Der zur Ausarbeitung der Artikel über die Gewalt des Papstes gebildete fünfköpfige Unterausschuss delegierte die Sache an Melanchthon. Bereits am 17. Februar konnten die Theologen Melanchthons Tractatus de potestate et primatu Papae, dem er einen zweiten Teil über die Jurisdiktionsgewalt der Bischöfe angeschlossen hatte, verabschieden. Die Stände genehmigten ihn und leiteten ihn – in Gestalt einer Reinschrift Spalatins - den Theologen zur Unterschrift zu.

Mit Ausnahme des erkrankten Luther unterzeichneten die Theologen den Tractatus sowie eine von Melanchthon formulierte Zustimmung zu CA und Apologie. Im Bundestagsabschied wurde der Tractatus – ohne Hinweis auf die Verfasserschaft Melanchthons – ausdrücklich erwähnt. Noch in Schmalkalden fertigte Veit Dietrich eine deutsche Übersetzung an, die er 1541 unter Angabe des Verfassers in Druck gab. Der lateinische Text war 1540 in Straßburg (als „anonym“ bezeichnet) erstmals im Druck erschienen. Die Verfasserschaft Melanchthons geriet in Vergessenheit. Spätere Drucke brachten den Tractatus zumeist als Anhang zu Luthers Schmalkaldischen Artikeln. In Gestalt der Übersetzung Veit Dietrichs gelangte er  in das Konkordienbuch von 1580, dort versehen mit der von der handschriftlichen Übersetzung Dietrichs übernommenen Überschrift: „Von der Gewalt und Oberkeit des Bapsts, durch die Gelerten zusamen gezogen zu Schmalkalden. 1537“

Für das lateinische Konkordienbuch übersetzte Nikolaus Selnecker diesen Text, den er für den ursprünglichen hielt, zurück ins Lateinische. Der Neuedition wird der lateinische Text des Tractatus in der Abschrift Spalatins und der deutsche Text des Konkordienbuchs 1580 zugrunde gelegt.

 

Kleiner und Großer Katechismus (Prof. Dr. Robert Kolb, St. Louis, MO)

Luthers Katechismen sind die wirkungsmächtigsten Texte der Wittenberger Reformation. Seit ihrem Erscheinen im Jahr 1529 sind sie in Tausenden von Ausgaben durch die Welt gegangen, und unzählige evangelische Christen sind an ihnen und durch sie in den christlichen Glauben eingeübt worden. Der Kleine Katechismus wurde zum Grundbuch des evangelischen Glaubens. Luthers Katechismen stehen in der katechetischen Tradition der Kirche. »Katechismus« ist sowohl als mündlicher Unterricht wie als schriftliche Darlegung des Glaubens zu verstehen. Als Buchtitel begegnet der Begriff »Katechismus« zuerst 1528 bei Johannes Brenz und Andreas Althamer. Seit seinen literarischen Anfängen verfasste Luther Schriften zur Einübung in das Christentum. Zu den frühen katechetischen Schriften gehört u. a. »Eine kurze Form der Zehn Gebote, eine kurze Form des Glaubens, eine kurze Form des Vaterunsers« aus dem Jahr 1520 (WA 7, 204-229). Katechetischen Charakter hat auch Luthers »Betbüchlein«, das seit 1522 in immer neuen und veränderten Ausgaben erschien. Seit 1516 predigte Luther über die Katechismusstücke. Unmittelbarer Anlass für die Abfassung der beiden Katechismen waren Visitationen in den kursächsischen Gemeinden, in denen elementare Defizite in der Kenntnis des christlichen Glaubens deutlich geworden waren. Zur Vorbereitung der Katechismen hielt Luther 1528 in der Wittenberger Stadtkirche St. Marien mehrere Reihenpredigten über die Katechismusstücke. Der Kleine Katechismus erschien zuerst in Tafeldrucken, also auf Plakaten, die man in den Häusern und Kirchen aufhängen konnte und sollte, um die Texte immer wieder vor Augen zu haben. Die erste Buchausgabe war eine niederdeutsche – sie erschien 1529 in der »Ketzerpresse« in Hamburg. Im Mai 1529 folgte eine Buchausgabe in Wittenberg, von der sich kein Exemplar erhalten hat. Die ältesten erhaltenen Ausgaben wurden bald darauf in Erfurt und Marburg (Lahn) gedruckt. Bis zu seinem Tod 1546 war der Kleine Katechismus das am häufigste gedruckte Buch Luthers. Die zahlreichen Ausgaben seitdem sind bisher bibliographisch nicht erfasst.

Der Kleine Katechismus ist ein Elementarbuch des Glaubens. Er richtete sich an die Hausväter, also die Haushaltsvorstände, zu deren Aufgaben es gehörte, ihren Teil zur christlichen Erziehung und Lebensführung ihrer Hausgemeinschaft beizutragen. Über Jahrhunderte war der Kleine Katechismus oft das einzige Buch oder eines der wenigen, das die Menschen besaßen. Frühere Drucke enthielten deshalb häufig neben dem Katechismustext auch das Alphabet und das kleine Einmaleins. Als »eiserne Ration« des Glaubens hat er bis in die Gegenwart nichts von seiner Bedeutung verloren, wenn es auch neben und nach ihm andere Katechismusversuche gibt. Der Große Katechismus (Deudsch Catechismus) ist Luthers theologische Hauptschrift in deutscher Sprache. Luther selbst hielt ihn neben De servo arbitrio für sein bestes Buch. Die Erstausgabe wurde im April 1529 in Wittenberg gedruckt. Das Werk war für die Pfarrer und Prediger bestimmt. Im Zug der Bekenntnisbildung und -formulierung wurden aus den Glaubensbüchern auch Bücher der Lehre – als Bestandteile des Konkordienbuches wurden die Katechismen Teil der Lehrnorm der lutherischen Kirchen.

Die Neuedition der Katechismen in den BSELK bietet, anders als die Weimarer Lutherausgabe, die deutschen und lateinischen Texte der Katechismen nach dem Text der Konkordienbücher von 1580 und 1584. Da die deutschen Katechismen Schriften Luthers sind, werden die Texte in diesen Fällen mit den früheren authentischen Ausgaben verglichen.

Die lateinischen Übersetzungen der Katechismen stammen nicht von Luther selbst, sondern von Johannes Lonicer (um 1497–1569) und Vincentius Obsopoeus († 1539). Daher wird in diesen Fällen auf einen textkritischen Vergleich mit den Vorlagen verzichtet. In den deutschen Texten werden Veränderungen gegenüber den Vorlagen im textkritischen Apparat verzeichnet. In den Anmerkungen werden Bibelstellen und Zitate nachgewiesen, Personen identifiziert und historische Zusammenhänge kurz erläutert und sprachliche Erklärungen gegeben.

Texte der Katechismen und der Katechismuspredigten: Martin Luther, Werke. Kritische Gesamtausgabe Bd. 30 I. Weimar 1929. Literatur: Johannes Schilling, Katechismen. In: Luther Handbuch. Hrsg. von Albrecht Beutel, Tübingen 2005 (Neuausgabe als UTB, 2010), 305-312; Martin Luther, Der Kleine Katechismus in niederdeutscher Sprache. Die Hamburger Drucke von 1529. Hrsg. von Johannes Schilling, Hannover 2000; Albrecht Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen. Hrsg. von Gottfried Seebass. 5 Bände, Göttingen 1990–1994.

 

Konkordienformel (Prof. Dr. Irene Dingel / Marion Bechtold-Mayer M.A., Mainz)

Die Konkordienformel / Formula Concordiae wurde von einer Theologengruppe, bestehend aus Jakob Andreae (als Vertreter für Württemberg und Kursachsen), Martin Chemnitz (Braunschweig-Wolfenbüttel), Nikolaus Selnecker (Kursachsen), Andreas Musculus und Christoph Cornerus (Kurbrandenburg) sowie dem Rostocker Professor David Chytraeus erstellt und besteht aus einer als Zusammenfassung angelegten Epitome (Ep) und einer ausführlichen Solida Declaratio (SD). Im Jahre 1577 lag sie abgeschlossen vor. Gedruckt erschien sie als letztes und ausführlichstes Stück des Konkordienbuchs mit einer zugleich dem gesamten Buch vorangestellten Vorrede zum Augustana-Jubiläum 1580. Sie wurde in vielen, jedoch nicht in allen von der Wittenberger Theologie geprägten Territorien des damaligen Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation verbindlich. Übersetzungen ins Lateinische und in andere Volkssprachen zielten darauf, auch jenseits der Reichsgrenzen eine theologische und bekenntnismäßige Einheit der Kirchen Augsburger Konfession heraufzuführen.

Jakob Andreae (1528-1590)Vorangegangen war ein ca. 10-jähriger Abstimmungs- und Beratungsprozess, getragen von dem Württemberger Theologen Jakob Andreae, in den sich auch die norddeutschen Theologen unter Leitung des Martin Chemnitz und eine durch den Württemberger Lucas Osiander beeinflusste Richtung einbrachte. Die politischen Initiatoren und Förderer dieses Konkordienwerks waren Herzog Christoph von Württemberg und seit 1568 sein Sohn und Nachfolger Herzog Ludwig, außerdem Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel und – vorübergehend – Landgraf Wilhelm von Hessen, außerdem ab 1574 Kurfürst August von Sachsen. Die Konkordienformel ist kein Text aus einem Guss, sondern integriert in unterschiedlicher Weise Stücke aus den verschiedenen, in jenem Beratungsprozess erstellten, „Vorstufen“: Jacob Andreae, Fünf Artikel (1568) – Jacob Andreae, Sechs christliche Predigten von den Spaltungen (1573) – Umarbeitung zur Schwäbischen Konkordie (1574) – Umarbeitung zur Schwäbisch-Sächsischen Konkordie (1575) – Lucas Osiander (u.a.), Maulbronner Formel (1576) – Zusammenführung zum Torgischen Buch (1576) – Erstellung eines zusammenfassenden Auszugs, d.h. der Epitome, durch Andreae – Überarbeitung und Einarbeitung der eingeholten Stellungnahmen zum Bergischen Buch, d.h. zur Solida Declaratio der Konkordienformel (1577).

Für die Neuedition der Konkordienformel wird erstmals ihr Text mit dem der Vorstufen verglichen, um theologische Einflüsse und Beratungsprozesse editorisch greifbar und für den Benutzer nachvollziehbar zu machen. Dafür werden die Schwäbische Konkordie, die Schwäbisch-Sächsische Konkordie, die Maulbronner Formel und das Torgische Buch herangezogen. Die fünf Artikel und die sechs Predigten können aufgrund der großen konzeptionellen Unterschiede nur auf inhaltliche Parallelen hin untersucht werden. Auch für die Epitome erfolgt ein textkritischer Vergleich. Die Abweichungen werden im textkritischen Apparat verzeichnet. Im zweiten sachlichen Apparat werden Quellen nachgewiesen, historische Zusammenhänge kurz erläutert und sprachliche Erklärungen gegeben.